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Rezension:Die Tage des Gärtners: Vom Glück, im Freien zu sein (Gebundene Ausgabe)


Dies ist das 142. Gartenbuch, das ich rezensíere. Ich habe abends meiner 81 jährigen Mutter am Telefon daraus vorgelesen. Sie ist noch immer eine passionierte Gärtnerin und hat mit großem Vergnügen zugehört. Natürlich gibt es hierfür gute Gründe. Diese werde ich in der Folge benennen.

Der Hobbygärtner Jakob Augstein "beschränkt" die visuelle Inspiration seines Gartenbuches auf hübsche Illustrationen des Grafikers Nils Hoff. Damit zwíngt er den Leser ein wenig unsanft in seinen Text, zwíngt ihn zum Lesen und zum Nachdenken über den Garten, lässt ihn teilhaben an seinen Zweifeln, Irrtümern, Vorlieben, seinen Kenntnissen, die nicht immer zu praktischem Können führen, seiner Allgemeinbildung, seinen fast philosophischen Betrachtungen, die intellektuellen Hobbygärtnern übrigens in allen Zeiten nicht fremd waren.

Bevor ich das Buch zu lesen begonnen habe, habe ich mir zunächst die Quellen näher angesehen, die Augstein für sein Buch verwendet hat. Das tat ich, um das Konzept aufzuspüren, das seinem Text zu Grunde liegt. Klar geworden ist mir dabei, dass der Wunsch, ein Buch über seine Gartenerfahrungen zu schreiben, keine Kopfgeburt am Schreibtisch war, sondern der Traum eines Gartenliebhabers, der im Winter die verschneiten Gartenwege etwas gelangweilt abschreitet und für seinen grünen Daumen Beschäftigung sucht.

2000 Blumenzwiebeln verbuddelt Augstein jedes Jahr in seinem Paradies und berichtet über die Geschichte der Tulpen, die einst in Holland Spekulatíonsobjekt waren. Für gebildete Hobbygärtner sind solche Plaudereien ein Muss. Immer wieder verspottet er sich selbst, weil er viele angelesene Kenntnisse nicht wirklich umsetzt, was die Leser, die mitunter auch jenseits ihres Wissens zur Tat tölpeln, natürlich tröstet.

Seine Abneigung gegen Nadelhölzer teile ich. "Praktisch, bedürfnislos, trübsinnig" sind die Attribute, die Augstein diesbezüglich einfallen. Das spießíge Elend dieses Baumes entlade sich an Weihnachten, wenn die Nordmanntanne mit Lametta oder dergleichen behängt wird. Mit Kritik an der Abholzung großer Nadelholzbaumflächen für den alljährlichen Christbaum-Hype geízt Augstein dennoch nicht. Dies zeigt, dass es durchaus möglich ist, selbst bei größter Abneigung einem ungeliebten Objekt Respekt zu zollen, anstatt es sogleich mit Stumpf und Stiel von der Bíldfläche verschwinden zu lassen.

Die Betrachtungen im Hinblick auf den Rhododendron haben mir gefallen. Ihm gilt ganz offensichtlich Augsteins besondere Liebe, nicht vorrangig den Blüten, sondern dem edlen Grün. Das kann ich gut nachvollziehen. Kundig und liebevoll schreibt er im Rahmen seiner Rhododendronbetrachtung: "Wenn im Sommer die Temperatur 30, 35 Grad erreicht, leidet der Rhododendron, es sei denn, er steht im absoluten Schatten. Geben sie den Pflanzen zu trinken. Nicht ein bisschen, sondern sehr, sehr viel. Zu viel Trockenheit nimmt dem Rhododendron seinen klaren und kräftigen Charakter, macht ihn fadenscheinig und blass und sein vornehmes Grün beginnt zu schwächeln." (Zitat: S. 101).

Spätestens durch die Pflege von Pflanzen gewínnt man die Erkenntnis, dass nur dann, wenn man bereit ist etwas zu geben, man die Chance erhält, auch etwas zu bekommen. Alle selbstsüchtígen Riesen dieser Welt sollten dazu angehalten werden, ein Jahr lang in einem schönen Garten zu verbringen und die Aufgabe erhalten, ihn nach 12 Monaten so zu verlassen, wie sie ihn betreten haben. Ich denke, dies ist sehr, sehr lehrreich. Mich interessiert natürlich brennend, was der Autor hierzu meint.

Es stimmt, wenn Augstein sagt, dass ohne Namen und Zusammenhänge draußen nichts als Grünzeug stünde. Für viele Stadtmenschen ist das ja auch leider so. Allein 26 000 Arten von Narzissen gibt es. Der Autor benennt im Buch nur einige, auch von den Tausend verschiedenen Leberblümchensorten, bezeichnet er nur wenige. Doch wenn man das Buch unter dem Gesichtspunkt "Wortschatzerweiterung" aufmerksam liest, stellt man fest, dass man am Ende eine Fülle neuer Wörter erlernt hat. Augstein räumt ein, dass es ohne Zweifel eine Zumutung sei, die korrekten Namen der Pflanzen zu erlernen und dazu noch ihre Schreibweise. Doch wie zufriedenstellend ist es, wenn man alles, was man sieht, auch benennen kann!

Augstein ist ein Sprachartist mit einem sehr großen Wortschatz auch im botanischen Bereich und er spricht über alles, was Praktiker oftmals nur tun, darüber aber keine Worte verlieren. Normalerweise sind Gärtner ohnehin eher wortkarg, dafür aber achtsamer. Dass sich Augstein gedanklich mit Oscar Wildes "Selbstsüchtigem Riesen" auseinandersetzt, macht ihn mir sympathisch und lässt mich erahnen, was ihn dazu bewogen hat, ein so wunderbares Buch zu schreiben. Er ist eben kein selbstsüchtiger Riese, sondern ein sprachgewaltiger Florian, der nicht sich, sondern die Natur im Fokus hat, vor der er sich ehrfurchtsvoll verneigt, indem er das Grüne und das Bunte sprachlich subtil zu individualisieren weiß.

Empfehlenswert. 

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